LICHTER Filmfest Frankfurt International

Seit 2008 findet das LICHTER Filmfest Frankfurt International jährlich im Frühjahr in der Metropolregion Rhein-Main statt. Neben Kurz- und Langfilm-Wettbewerben präsentieren die LICHTER regionale, nationale und internationale Filmwerke sowie Videokunst, VR- und AR-Produktionen. Zu der kuratierten Filmreihe Zukunft Deutscher Film bildet eine Sektion internationaler Filmproduktionen zu einem jährlich wechselnden Thema wie Natur, Macht und Wandel, im Jahr 2022 Freiheit, eine zentrale Säule des Festivalprogramms.

Auf Initiative des Festivaldirektors Gregor Maria Schubert unter dem Namen LICHTER Filmtage Frankfurt / Rhein-Main gegründet, wird das Filmfestival heute von ihm und Johanna Süß geleitet, durch ein festes Team, freie Mitarbeiter:innen und eine Gruppe von Freiwilligen veranstaltet und ist als gemeinnütziger Verein organisiert.

Anfänglich als Werkschau des regionalen Filmschaffens konzipiert, wurde das Festival 2012 zu einer Plattform internationaler Filmwerke erweitert. Parallel entwickelte sich das Festival von einem improvisierten Kino und 3.300 Festivalgästen zum LICHTER Filmfest, das heute bei über 100 Filmen und Veranstaltungen rund 13.000 Besucher:innen zählt. In Kooperation mit der Hessischen Film- und Medienakademie und unter der Leitung von Bert Rebhandl und Carolin Weidner ermöglicht der Lichter Kritikerblog seit 2014 Studierenden die journalistische Auseinandersetzung mit dem Medium Film.

Wesentliches Merkmal der LICHTER sind seit Beginn ihre zentral in Frankfurt gelegenen, wandernden Festivalzentren: Vom alten atelierfrankfurt über die ehemalige Diamantenbörse, den Turmpalast bis hin zum VAU, dem zurzeit ungenutzten Bankgebäude der ehemaligen HypoVereinsbank, hat das Festival hierfür stets städtische Orte als Kulturräume neu interpretiert und belebt. Als kommunikatives Herz des Festivals dienen diese für Diskussionen, Ausstellungen und allabendliche Treffen.

Volker Schlöndorff übernahm 2013 die Schirmherrschaft des Filmfestivals, worauf Leander Haußmann, Edgar Reitz und Doris Dörrie folgten. 2018 gab Edgar Reitz den Impuls, die Zukunft des deutschen Films bei einem parallelen Kongress differenziert zu diskutieren. Dabei erarbeiteten etwa 100 Filmschaffende mit den Frankfurter Positionen ein Konzept, das grundlegende Neuerungen in Förderung und Finanzierung, Ausbildung und Filmbildung, Vertrieb und Kinokultur empfiehlt. Mit dem Folgekongress im Jahr 2022, der verstärkt eine europäische Perspektive thematisierte, folgte das LICHTER Filmfest seinem Ziel, den Kongress Zukunft Deutscher Film, einschließlich der bundesdeutschen Filmreihe Zukunft Deutscher Film, als regelmäßigen Termin
zu etablieren.

(Gregor Maria Schubert, Johanna Süß, Kenneth Hujer, Pauline Klink)

Die kommende Ausgabe des Festivals findet
vom 18. bis zum 23. April 2023 statt.

lichter-filmfest.de >>

Exzerpt aus Buch / Leseprobe

Auszug aus dem Beitrag „Zukunft Deutscher Film – Eine Kongress-Gründung“ von Gregor Maria Schubert, Johanna Süß, Kenneth Hujer und Pauline Klink (LICHTER Filmfest Frankfurt International)

III. Unbefangenes Frankfurt, kurioses Zoo Gesellschaftshaus
Nicht ganz ohne Grund entwickelte Hilmar Hoffmann für Frankfurt die Vision einer Filmstadt: In der Mainmetropole sind das Deutsche Filminstitut und Filmmuseum beheimatet, haben die HessenFilm und Medien GmbH und der Bundesverband kommunale Filmarbeit ihren Sitz. Auch sind das Filmhaus Frankfurt, das Film- und Kinobüro Hessen sowie die Kinothek Asta Nielsen und die Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm e.V./AG DOK hier ansässig. Nicht zu vergessen sind an dieser Stelle freilich die filmstarken Feuilletons der Frankfurter Rundschau und der FAZ. Anders als in Berlin, Hamburg, München und Köln bildet die Film- und Fernsehindustrie in Frankfurt allerdings keinen zentralen Wirtschaftsfaktor. Es existieren keine Zwänge eines klassischen Medienstandorts. Man könnte auch sagen: In Bezug auf die filmpolitischen wie filmwirtschaftlichen Interdependenzen ist Frankfurt ein unbefangener, fast schon unschuldiger Ort.
Wenn auch eher ein Nebeneffekt, so eignet sich zudem die geographische Lage der Stadt mit ihren Verkehrsanbindungen perfekt, um einen Kongress zu veranstalten, der Menschen aus allen Teilen Deutschlands zusammenbringt. Und wenn sich seit den politisch aufgewühlten Tagen der 1960er und 1970er Jahre auch sicher schon vieles verändert, lebt Frankfurt seine Tradition als Stadt des Protests, Stadt der Diskussion, Stadt der Theorie und Kritik weiter.

Auf dieser Linie der Eigenwilligkeit lag auch die Wahl des Austragungsortes: das in den 1870er Jahren errichtete Zoo Gesellschaftshaus im Osten der Stadt, das seither eine mitunter widersprüchliche Geschichte durchlaufen hat, zudem ein altehrwürdiger Ort mit großer Kino-Vergangenheit: Bereits in den 1920er Jahren eröffneten dort die Zoo-Kultur-Lichtspiele, die den Film als Bildungsplattform verstanden. Anfang der 1950er Jahre zog das Frankfurter Jugendkino ein, das über fünf Jahrzehnte Bestand haben sollte und bis in die 1990er Jahre zehntausenden Schüler:innen für wenig Geld ein anspruchsvolles Filmprogramm bot. Sogar der langjährige Frankfurter Zoodirektor Bernhard Grzimek hat einen Kinobezug: für seinen Dokumentarfilm Serengeti darf nicht sterben gewann er 1960 einen Oscar.

Nach der teilweisen Zerstörung des Zoo Gesellschaftshauses im zweiten Weltkrieg wurde die repräsentative Schauseite weitgehend wiederhergestellt. Das Innere des Gebäudes und die Rückseite aber wurden zuletzt in den in den 1980er Jahren stark verändert. Dieser Kontrast aus pompös-repräsentativem Äußeren, vage postmodern angelegtem Inneren und dem Zoo-Setting entfaltet einen besonders kuriosen Charme. Uns kamen bei der Ortswahl die Zeichnungen von Walter Trier aus Erich Kästners Kinderbuch Die Konferenz der Tiere in den Sinn, die es schlussendlich auch in unser Programmheft geschafft haben. Die Botschaft des Buches, dass sich die Dinge ganz grundsätzlich wandeln müssen, konnte nicht passender sein.

Hätten wir unsere Konferenz in der Frankfurter Messe abgehalten, wäre das sicherlich einfacher zu organisieren gewesen, da das Zoo Gesellschaftshaus bis heute komplett leer steht. Doch waren wir der Überzeugung, dass die Aura eines Ortes, an dem man einen Kongress abhält, diesen ganz grundlegend mitprägt, inspiriert und im besten Fall beflügelt. Das Geheimnisvolle, Fantasievolle, Bizarre, das das Gesellschaftshaus mit sich bringt, spiegelt letztlich auch das Potential wider, das Filme in sich tragen: Filme verbinden jenseits des Alltags und eröffnen dabei ganz neue Welten und Erfahrungshorizonte. Daran sollte bei den Diskussionen um die Herstellungsbedingungen des Films und seiner Auswertung erinnert werden.

 

Macher:innen

(c) lightgraph studio

Gregor M. Schubert,

geboren 1970, studierte an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach Visuelle Kommunikation mit den Schwerpunkten AV-Medien und Freie Gestaltung. Der gelernte Künstler und Filmemacher arbeitet seit seinen Anfängen im Kontext kritischer Kulturvermittlung und kultureller Bildung. Er ist Gründer und Festivaldirektor des LICHTER Filmfest Frankfurt International, bringt Kino regelmäßig an ungewöhnliche Orte und ist Teil der Initiative Zukunft Deutscher Film.

(c) lightgraph studio

GJohanna Süß

ist Festivaldirektorin des LICHTER Filmfest Frankfurt International, studierte in Mainz und Frankfurt Politik, Kunstgeschichte und Theater-, Film- und Medienwissenschaften. Nachdem sie zunächst in der politischen Bildung und Medienpädagogik arbeitete, entwickelte sie mit Gregor Maria Schubert Projekte wie den ‚Ersten Stock‘, das Freiluftkino Frankfurt, das Sommerkino im Altwerk oder High Rise Cinema. Sie ist im Vorstand des Hessischen Film- und Kinobüros und in der Initiative Hessen Film sowie in der AG Filmfestival aktiv.

5 Fragen

1. Gut 30 Monate nach dem ersten pandemiebedingten Lockdown, was waren die größten Bedrohungen, Leistungen, Gewinne, Überraschungen, die Sie mit Ihrem eigenen Festival erlebt haben?

Der Schock, dass eine neue, eventuell lebensbedrohliche Infektionskrankheit unser Dasein bedroht, saß erstmal tief. Dieser ging weit über unseren Arbeitsalltag hinaus. Dem Drama folgte aber schnell die Überzeugung, den Kulturbetrieb am Leben halten zu wollen. Praktisch ohne nennenswerte Vorbilder beschlossen wir, dass unmittelbar bevorstehende LICHTER Filmfest online durchzuführen. Wir werten es als großen Erfolg, dafür die passenden Voraussetzungen geschaffen zu haben, von denen alle am Festival beteiligten Personengruppen – allen voran unser Publikum – gleichermaßen profitiert haben. Wir leben in einem relativ stabilen System, das der Kultur große Spielräume einräumt. Unabhängig von der nicht gerade neuen Erkenntnis, dass sich unsere Gesellschaft schwer tut mit Reformen, wurde während der Pandemie eines deutlich: Bedroht war das Festival zu keiner Sekunde. Jetzt heißt es aufpassen, dass nicht an den falschen Stellen gekürzt wird.

 

2. Aktuell ist die Situation der Filmfestivals neben den (Post-)Pandemie-Folgen von weiteren kritischen Einflüssen geprägt. Welche Aspekte haben auf das Festival derzeit die größten Auswirkungen?

Die gegenwärtigen weltpolitischen Krisen sind auch für uns neu. Bisher hatten wir es nur mit persönlichen Tiefs zu tun, weil die Gründung und Entwicklung eines Filmfestivals in Frankfurt ein hohes Maß an Vehemenz und Leidenschaft voraussetzt. Unser wichtigstes Ziel ist es seit der Gründung, die Filmkultur einem großen Publikum näher zu bringen. Filme wollen gesehen werden. Die Pandemie hat leider zu neuen, dem Kino gegenüber sehr nachteiligen Ausgeh-Gewohnheiten geführt. Wir sind aber der festen Überzeugung, unser Publikum für den Kinosessel wieder empfänglich machen zu können. Das Problem liegt u.E. in der unmittelbaren Zukunft: Sowohl der Staat als auch seine Bürgerinnen und Bürger werden zukünftig weniger Geld haben. Ob dann noch genug Geld für den Kinobesuch übrig ist, werden wir wahrscheinlich bald wissen. Hinzu kommen strukturelle Probleme in der Festivalarbeit, die sich heute schon andeuten. Die Sicherheit, die sich viele junge Menschen neuerdings wünschen, hatte die Kulturbranche noch nie zu bieten. Wir haben Zweifel, ob sich der Nachwuchs auch in Zukunft für eine (gute) Sache einsetzen wird. Es droht ein irreversibler Kompetenzverlust.

 

3. Schon heute werden manche Lichtspielhäuser tageweise geschlossen. Fürchten Sie nach der pandemiebedingte Schließung der Kinos nun einen (erneuten) Verlust ihres/r Partnerkinos und was bedeutet dies für das Festival?

Die Schließung weiterer Kinos in Frankfurt wäre ein schwerer Verlust. Die öffentliche Hand ist auf ein solches Szenario leider nicht vorbereitet. Da es weder eine finanzielle noch eine ideelle Unterstützung in befriedigendem Maße gibt, befürchten wir, dass weitere Lichtspielhäuser von der Schließung bedroht sind und sich kaum jemand in der Politik dafür verantwortlich fühlt. Das ist ein unhaltbarer Zustand, der sich – Krise hin oder her – schnellstens ändern muss.

 

4. Welche Form der Unterstützung wäre am hilfreichsten in der aktuellen Situation des Filmfestivals und von wem/welcher Einrichtung sollte diese Unterstützung ermöglicht werden?

Zunächst geht es darum, die Budgets zu halten und die Politik davon zu überzeugen, dass Filmfestivals ein elementarer Bestandteil unseres kulturellen Lebens sind. Wir brauchen unbedingt eine gewisse Planungssicherheit für die kommenden Jahre. Es geht aber auch um mehr. Die Veranstaltungen des Lichter Filmkultur e.V. werden Ende 2022 voraussichtlich mehr als 23.000 Zuschauerinnen und Zuschauer besucht haben – und das ohne Online-Auswertung. Ein besseres Argument für die Erhöhung der Fördermittel kann man gar nicht haben. Das gilt auch im Allgemeinen: Das Missverhältnis zwischen den Fördergeldern und dem Gewinn, den Filmfestivals für eine Gesellschaft erzielen, ist immens. Auch wenn es in diesen Zeiten unrealistisch klingt: Filmfestivals müssen besser gefördert werden. Diese Forderung richtet sich auch an die Wirtschaft und das Mäzenatentum.

 

5. Wo sehen Sie das Festival im Jahr 2025 und wie denken Sie, sieht dann die deutsche Filmfestivallandschaft aus?

Wir suchen ein Zuhause und hoffen, in dieser Frage 2025 ein Stück weiter gekommen zu sein. Filmfestivals brauchen das Kino, sie brauchen aber auch einen Ort, der die unterschiedlichen Spielarten des Bewegtbildes und der Filmkultur bündeln kann. Mit unserem Konzept für ein Filmfestspielhaus haben wir in den letzten Jahren skizziert, wie dieser Ort aussehen kann. Neben Theater und Tanz, Musik, Literatur und Bildender Kunst muss die Film- und Medienkunst eine der fünf tragenden und damit gleichberechtigten Säulen des kulturellen Lebens sein. Von dieser Gleichstellung sind wir aber leider noch sehr weit entfernt. Filmfestivals werden auch in Zukunft einen wichtigen Beitrag dazu leisten, an diesem Missverhältnis etwas zu ändern.