Internationales Trickfilm-Festival Stuttgart (ITFS)

Initiiert von Claus Hübner vom Kommunalen Kino Stuttgart und Albrecht Ade, Professor für Grafikdesign an der Staatlichen Akademie der bildenden Künste, wurde das ITFS unter dem Namen Internationale Stuttgarter Trickfilmtage erstmals vom 18. bis 23. Januar 1982 durchgeführt. Es gilt, Trickfilme der Studierenden der Kunstakademie gemeinsam mit einer Auswahl internationaler Trickfilme einem größeren Publikum zu präsentieren. Mit der Gründung des Vereins Internationales Trickfilm-Festival Stuttgart im Jahr 1987 sowie durch das Hinzutreten von Otto Alder und Thomas Basgier wird das Festival deutlich professionalisiert.

Konflikte zwischen dem Festivalleiter Albrecht Ade und den beiden Mitarbeitern Otto Alder und Thomas Basgier führen jedoch 1993 zum Rückzug der Festivalinitiatoren. Als Internationales Trickfilm-Festival Stuttgart wird das Festival 1994 unter Mitwirkung von Dittmar Lumpp, verantwortlich für Organisation und Finanzen, und des Kunsthistorikers und Filmkurators Ulrich Wegenast auf neue Beine gestellt. Es erfolgen zahlreiche Neuerungen wie die Kinderfilmsektion Tricks for Kids oder der Langfilmwettbewerb AniMovie. Ein essenzieller Schritt erfolgt 1994 mit der Gründung der Fachveranstaltung Film- & Medienbörse, die später als FMX tausende Fachbesucher aus den Bereichen VFX und Computeranimation anlockt.

Im Jahr 2000 wird die Vereinsstruktur in eine gemeinnützige Film- und Medienfestival GmbH transferiert und auch der Umzug in die Stuttgarter Innenstadt eröffnet dem Festival zahlreiche neue Möglichkeiten. So werden die großen Open-Air-Vorführungen auf dem Schlossplatz mit bis zu 100.000 Zuschauer:innen zu einer zentralen Kulturveranstaltung Stuttgarts. Mit der Gründung der Animation Production Days im Jahr 2006 erweitert sich das ITFS um ein komplementäres Business- und Finanzierungsformat.

In den Folgejahren werden unter dem Begriff „Expanded Animation“ die Schnittstellen zu Kunst, Theater, Architektur, Games und Virtual Reality ausgelotet. 2013 entsteht daraus die neue Festivalsektion GameZone, die ausgewählte Computerspiel- und VR-Installationen präsentiert. Infolge der Pandemie transformiert das ITFS 2020 / 21 zum ersten reinen Online-Animationsfilmfestival weltweit. Eine neue digitale Form des Festivals mit Streamings, Mediathek und einem VR Hub entsteht. Der Erfolg des OnlineFestivals ITFS.de führt dazu, 2022 das ITFS erstmalig dual zu organisieren und damit den internationalen Radius des ITFS und die digitale Zugänglichkeit deutlich zu erweitern.

(Ulrich Wegenast)

Die kommende Ausgabe des Festivals findet
vom 25. bis zum 30. April 2023 statt.

www.itfs.de >>

Exzerpt aus Buch / Leseprobe

Auszug aus dem Beitrag „Die Transformation des ITFS vom Schloßplatz in den VR-Hub“
von Ulrich Wegenast (Internationales Trickfilm Festival Stuttgart – ITFS)

Filmfestivals sind heute längst mehr als reine Abspielstätten von Filmproduktionen. Neben der deutlichen Zunahme von diskursiven Veranstaltungen und Workshopformaten, spielen vor allem installative und immersive Medien in der Programmierung eine immer wichtigere Rolle. Diese Tendenz hat bereits mit dem Aufkommen der Medienkunst in den 1980er und frühen 1990er Jahren mit Festivals wie dem European Media Art Festival Osnabrück (vormals Experimentalfilm Workshop), dem Stuttgarter Filmwinter – Festival for Expanded Media oder dem Viper Festival in der Schweiz ihren Anfang genommen. Heute rücken zudem Virtual Reality- und Augmented Reality-Beiträge sowie 360°-Filme in den Fokus vieler Filmfestivals.

So haben in der Zwischenzeit Festivals wie die Filmfestspiele von Venedig oder das Animationsfestival von Annecy VR als eigene Sektion eingeführt, doch sind die Präsentationsformate alles andere als zufriedenstellend. Oftmals handelt es sich bei den präsentierten Arbeiten um 360° Videos als Stand-Alone-Filme, die meist nur in fest definierten Zeitslots gesichtet werden können. Dabei kommen weder die installativen Aspekte von VR zum Tragen, wie sie u.a. in den Arbeiten des israelischen Künstlerduos Michelle und Uri Kranot immanent sind, noch wird der oft stark intimistische Zugang zu VR zu berücksichtigt. VR-Erlebnisse sind eben keine Kinobesuche, wenngleich das Kino immer auch ein Ort der Immersion war. Im neuesten Research-Projekt von Indie Online – einer Initiative von Anidox und The Animation Workshop/VIA University College in Viborg – wird die nach wie vor unbefriedigende Situation der Präsentation und Distribution von kinematografisch basierter VR erstmals näher untersucht: „The main focus of the research project is accessibility to audiences and new online platforms: Shaping an emerging VR/XR distribution ecosystem.“ Bis heute sind die wenigsten unabhängig produzierten VR-Experiences einem breiteren Publikum zugänglich. Ohne eine umfangreiche eigene Ausstattung mit unterschiedlichen VR Brillen wie HTC Vive oder Oculus Rift, die ohnehin sehr schnell veraltet sind, lässt sich kaum eine tiefergehende Auseinandersetzung mit VR und 360° Filmen bewerkstelligen. Folglich fristet VR auch in Museen, Galerien, Kaufhäusern und Kinos– abgesehen von einigen Hologate-Installationen und der YULLBE-Initiative von MackNeXT – in Europa heute noch ein Nischendasein.

Ungeachtet der Hürden bei der Distribution sind es die Film- und Animationsfestivals neben großen Konferenen wie SXSW, die sich am intensivsten mit den Herausforderungen und Potentialen von VR-Experiences auseinandersetzen. Festivals werden zumindest in diesem Punkt ihrem Ruf gerecht, Laboratorien neuer medialer Formate zu sein. Gerade in Zeiten der Pandemie setzte sich somit vielfach das Ziel durch, das Thema VR nicht auf singuläre Erlebnisse zu beschränken, sondern digitale und immersive Begegnungsräume für das Bewegtbild zu schaffen – nicht als Zwilling des Kinos, sondern als eigene Szenografien und eigenständige Kommunikationsräume.

Auch das Internationale Trickfilm-Festival Stuttgart und die komplementäre Veranstaltung Raumwelten – Plattform für Szenografie, Architektur und Medien machte sich infolge der Pandemie auf den Weg, unterschiedliche Multiuser Virtual Realities – von proprietären Anwendungen bis zu Open Source-Projekten wie Mozilla Hubs – spielerisch und experimentell zu erproben. Gerade das ITFS scheint für die Einbeziehung neuer immersiver Technologien eine prädestinierte Veranstaltung zu sein, da einerseits Animation von Anfang an ein Motor für filmtechnische Entwicklungen war, andererseits das Festival selbst bereits Ende der 1990er Jahre Online-Formate wie „Generation Flash“ ins Festivalprogramm integrierte.
Folglich war der Weg des ITFS in den virtuellen Raum kein unüberlegter Sprung als Antwort auf die veränderten Bedingungen, sondern vielmehr eine fast logische Entwicklung des Animationsfilmfestivals im Zuge seiner jahrelangen schrittweisen Transformation zu einem Ort der Expanded Animation. Im diesem Aufsatz wird der stetige Wandel des ITFS von dessen Anfängen bis zu seiner Ausgestaltung in Form eines VR-Hubs im Einzelnen nachgezeichnet.

Macher:innen

(c) Internationales Trickfilm-Festival Stuttgart

Ulrich Wegenast

studierte Geschichte und Kunstgeschichte an der Universität Stuttgart und Kultur- und Medienmanagement an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ Berlin. Er war von 2005 bis 2022 künstlerischer Geschäftsführer der Film- und Medienfestival gGmbH (Int. Trickfilm-Festival Stuttgart). Neben seiner Tätigkeit als Honorarprofessor für Expanded Animation an der Filmuniversität Babelsberg „Konrad Wolf“ Potsdam-Babelsberg, berät die Schirn Kunsthalle, das Filmfest München und die DOCUMENTA in Kassel und hält Vorträge und Workshops weltweit.