Fünf Seen Filmfestival

Erstmals im Jahre 2007 veranstaltet, geht das im Süden Münchens gelegene Fünf Seen Filmfestival (FSFF) auf eine Initiative des Kinomachers Matthias Helwig zurück, der bereits seit 1986 die Breitwand-Kinos in Starnberg, Seefeld und Gauting betreibt. Traditionell findet es Ende August statt und ermöglicht so als Sommerfilmfestival Highlights wie die berühmte Dampferfahrt auf der MS Starnberg und das dortige Open-Air-Kino auf dem in die Nacht gleitenden Schiff. In den 15 Jahren seines Bestehens hat sich das FSFF stetig weiterentwickelt und war so bis zu den pandemiebedingten Einbrüchen auf Zuschaueranzahlen von rund 21.000 pro Jahr angewachsen. Parallel dazu stieg die Anzahl an Filmen (zuletzt waren es rund 170), Wettbewerbsreihen (bis zu 11) ebenso wie Spielorten (bis zu sechs).

Nach seiner anfänglichen Konzentration auf Produktionen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz liegt der Fokus heute auf dem gesamten mitteleuropäischen Raum. Dabei umfassen die Wettbewerbe die Bereiche Spiel-, Dokumentar-, mittellanger, Kurz- und Experimentalfilm, in denen Preise im Wert von ca. 20.000 Euro vergeben werden. Neben dem Hauptwettbewerb um den Fünf Seen Filmpreis wurde 2008 der Preis für den besten Dokumentarfilm und 2009 der Preis für die erste oder zweite Regiearbeit eingeführt. Mit dem Horizonte-Filmpreis wird seit 2011 ein Human-Rights-Award verliehen. Seit 2012 widmet sich das FSFF mit der Reihe Fokus Drehbuch auch Drehbüchern und verleiht seither ebenfalls einen Preis. Im Angedenken an die im April 2019 verstorbene Schauspielerin Hannelore Elsner wurde im Juni 2019 der Hannelore-Elsner-Preis für bedeutende Schauspielkunst ins Leben gerufen.

Ergänzt wird das Programm durch eine Retrospektive zu einem jährlich neu gewählten Thema, sowie die Reihe Odeon mit Filmen über und aus den sieben Künsten. Zudem präsentiert das FSFF Filme aus einem jährlich wechselnden Gastland. Das Festival, das sich in seiner Ausrichtung vor allem als lokal und regional verankertes Festival für alle Zielgruppen vor Ort versteht, setzt auf den Dialog zwischen Publikum und Filmemachern oder Ehrengästen wie Michael Ballhaus, Volker Schlöndorff, Armin Mueller-Stahl, Hannelore Elsner, Istvan Szabo, Wim Wenders, Michael Verhoeven, Dominik Graf, Doris Dörrie, Caroline Link, Eva Mattes, Tom Tykwer, Lars Eidinger und Nina Hoss.

Im Sommer 2020 war es eines der wenigen Festivals überhaupt, das als Special Edition stattfinden konnte, und erreichte trotz diverser Einschränkungen und einem deutlich reduzierten Programm mit 84 Langfilmen, 30 Kurzfilmen und zwölf Short- Plus-Filmen in 15 Tagen etwa 14.000 Zuschauer:innen.

(Matthias Helwig)

Die kommende Ausgabe des Festivals findet
vom 17. – 27.August 2023 statt.

www.fsff.de >>

Exzerpt aus Buch / Leseprobe

Auszug aus dem Gespräch “Es ist definitiv einfacher, ein Filmfestival im urbanen Raum zu etablieren” von Joachim Kurz mit Matthias Hellwig (Fünf Seen Filmfestival)

(Joachim Kurz) Der Regisseur Roland Emmerich prophezeit dem Kino den Tod in 10 Jahren, der Feuilletonist Claudius Seidl spricht von 5 Jahren. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
(Matthias Hellwig) Das ist Blödsinn und verkennt auch die Mentalität der Kinobesitzer. Trotzdem haben solche Aussagen wie die der Politik, dass Kultur- und Kinobesuch verzichtbar ist, einen unermesslichen Schaden auch der Kinobranche beigefügt. Das wird Jahre dauern, um das wettzumachen, viel Überzeugungsarbeit und viel Engagement und Herzblut, um das Kino wieder gesellschaftsfähig zu machen. Ich bin mir sicher, dass sich die Kinobesitzer – jeder in seiner Region – Gedanken dazu machen. Für mich steht außer Frage, dass die Qualität stimmen muss. Wir werden dafür bezahlt werden, dass wir eine Auswahl für unsere Kunden treffen. Und das wird bleiben.

[…]

(JK) Denken Sie, dass sich die Aufgabe Ihrer Kinos über die Jahre verändert hat?
(MH) So wie sich die Gesellschaft verändert hat. Es gab eine Zeit, da gab es kaum ein Kulturangebot in unserer Region. Dann sogar eine, in der meine Kinos fast alleine zum Diskurs einluden. Inzwischen ist das Kulturangebot riesig, wenn auch überaltert. Die Diskurse werden woanders geführt, schnell und in Überschriften. Hier seinen Platz zu finden, wird schwer. Es gibt keinen Kultfilm mehr und wird wahrscheinlich auch keinen mehr geben. Als ich jung war, konnte man jedes Jahr im Sommer Filme wie Spiel mir das Lied vom Tod, Blues Brothers, Harold and Maude, Alexis Sorbas und viele andere wiedersehen. Dazu konnte ich im Kino alle Filme noch nachholen. Dann kam Fernsehen, DVD und eine immer größere Aufsplittung des Marktes. Im Fernsehen gab es das sogenannte „Lagerfeuergefühl“ mit bestimmten Shows oder Ereignissen. Die Filme von heute, die große Zuschauermengen erreichen, erweisen sich meistens als Strohfeuer, entfacht von den Marketingstrategen, die nach drei, vier Wochen verpuffen und es manchmal nicht mal zur Open-Air-Saison schaffen. Ausnahmen sind in den letzten Jahren Bohemian Rhapsody und begrenzt auf kleinem Niveau Parasite. Bei diesem Film kann man auch bei mehrmaligem Sehen etwas entdecken, für mich Voraussetzung für einen Kultfilm. Aber wenn man sich an die 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts erinnert, dann gab es nach einer langen Durststrecke auch wieder die Neuentdeckung des Kinos – durch den Arthouse-Markt, durch die Qualität. Ich hoffe, dass das wieder eintritt, aber kann natürlich die gesellschaftlichen Entwicklungen nicht vorhersehen. Das Kino wird sich aber deren Entwicklung anpassen, wie auch immer, und im besten Falle antizipieren.

(JK) Viele Festivals werden durch die öffentliche Hand unterstützt. Müssten Kinos vor dem Hintergrund gegenwärtiger Herausforderungen nicht ebenfalls viel breiter gefördert werden?

(MH) Unbedingt, aber wie oben ausgeführt, gibt es das Missverständnis über Kinos und Festivals auch in der Politik. Kinos werden bei technischer Erneuerungen unterstützt. Die Hauptkosten der Kinos werden aber in Zukunft im Bereich Programmierung und Marketing liegen. Hier gibt es keine Förderung. Und dann müsste die Politik nicht nur ihren Worten die Taten folgen lassen, die auch auf eine Anerkennung des Ortes Kino abzielt.

Macher:innen

(c) Jörg Reuther

Matthias Helwig,

Studium an der HFF München, seit 1986 Betreiber der Breitwand-Programmkinos in Gauting, Starnberg, Schloss Seefeld und Herrsching mit weit über 100 Auszeichnungen für das herausragende Jahresfilm-, Dokumentarfilm- und Kinderfilmprogramm, 1997 + 2014 Bestes Kino Deutschlands, 2008 Tassilo-Preisträger der Süddeutschen Zeitung, 2009-2015 stellvertretender Vorstand der AG Kino-Gilde, Kino-Vertreter in der Drehbuch-Kommission der FFA und in der Verleihkommission des BKM, 2010 Kino-Champion in Deutschland, 2021 Wilhelm-Hausenstein-Preisträger der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, seit 2007 Leiter des Fünf Seen Filmfestivals.