Filmfest Hamburg

Nach dem Motto ‚Filmfest für alle — überall in Hamburg‘ wurde 1992 das erste Filmfest Hamburg als Zusammenschluss der Hamburger Kinotage und des Europäischen Low Budget Film Forums eröffnet. Als Publikumsfestival mit politischem Schwerpunkt und dem Ziel, die neuesten und relevantesten Filme aus aller Welt zu zeigen, feierten so bis heute über 3000 nationale und internationale Filmproduktionen bei Filmfest Hamburg ihre Welt-, Europa- oder Deutschland-Premiere.

Mit dem Amtsantritt von Albert Wiederspiel, der seit 2003 die Arbeit seiner Vorgänger: innen Rosemarie Schatter (1992), Gerhard von Halem (1994) und Josef Wutz (1995 bis 2002) fortsetzt, wurde auch das Michel Kinder- und Jugend Filmfest eingeführt. Nicht zuletzt die Basis einer städtischen gGmbH und 100-prozentigen Tochterfirma der MOIN Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein ermöglichte Filmfest Hamburg über die Jahre, auch in anderen Bereichen kontinuierlich zu wachsen.

Seit 1992 haben sich seine Besucherzahlen mehr als verzehnfacht und zuletzt begeisterte Filmfest Hamburg über 45.000 Kinofans. Zum Großteil der Besucher:innen aus Hamburg und der Metropolregion reisen seit einigen Jahren vermehrt auch Filmbegeisterte aus dem gesamten Bundesgebiet und finden in zehn Tagen rund 110 nationale und internationale Spiel- und Dokumentarfilme auf 15 Leinwänden vor. Zehn Sektionen präsentieren ein Programmspektrum von cineastisch anspruchsvollen Arthouse- Filmen bis hin zu innovativem Mainstreamkino.

Als Plattform für kulturellen Austausch und Dialog werden die Filme mehrheitlich von nationalen wie internationalen Filmschaffenden persönlich in Hamburg vorgestellt, wobei die Festivalmacher:innen darum bemüht sind, mittels einer deutschen Untertitelung der meisten Filme möglichen Zugangsbarrieren entgegenzuwirken. Zahlreiche Veranstaltungen und jährlich neu akzentuierte Sonderprogramme machen Filmfest Hamburg zu einem wichtigen Treffpunkt gleichermaßen für Kinofreunde und die Filmbranche. So vor allem auch das 2019 eingeführte ‚Gegenwartskino im Fokus‘, das die Arbeiten von jeweils zwei der aktuell spannendsten Regisseur:innen des Weltkinos, wie Céline Sciamma, Lav Diaz, Kelly Reichardt, Pablo Larraín, Andrea Arnold und Sean Baker, beleuchtet.

Über das mehrtägige Veranstaltungsprogramm zu aktuellen Fachthemen für die Film- und TV-Branche hinaus ergänzt in Kooperation mit der MOIN Filmförderung und dem Produzentenverband seit 2019 die Explorer Konferenz das Industrieprogramm um wertvolle Inputs.

(Albert Wiederspiel, Kathrin Kohlstedde)

 

www.filmfesthamburg.de >>

Exzerpt aus Buch / Leseprobe

Auszug aus dem Gespräch „Filmfestivals mit einer klassischen Kinoauswertung gleichzusetzen, soweit scheint die Politik leider noch nicht zu sein“ von Tanja C. Krainhöfer mit Albert Wiederspiel und Kathrin Kohlstedde (Filmfest Hamburg)

Wir investieren in Deutschland rund 260 Mio. in die Produktion von fürs Kino entwickelter Filme. Von diesen erreichen rund 80 Prozent keine 10.000 Kinobesucher. Gerade in Hinsicht auf neue Talente zeigen sich zahlreiche Beispiele von OH BOY über LOVESTEAKS über DIE BESTE ALLER WELTEN, KÖNIGIN VON NIENDORF und BORGA, die diese Marke (nahezu) allein mit der Festivalauswertung in Deutschland erreichen. Wäre es an der Zeit, Förderinstrumente, die bisher nur dem Filmverleih dienen, auf eine strategische Festivalauswertung insbesondere von unabhängigen, kleineren Filmen zu erweitern?
AW: Ich glaube, dass die gesamte Verwertungskette des sogenannten Arthousefilms überdacht werden muss. Wir wissen alle, dass die Verleihförderung in Deutschland nicht auf der Höhe der Anzahl der Filme ist, die für eine Kinoauswertung anstehen. Daher sollte man die Verleihförderung nicht weiter dezimieren. Diese erzwungene Kinoauswertung muss sowieso dringend revidiert werden. Erst wenn man uns, die Filmfestivals, mit einer klassischen Kinoauswertung gleichsetzt, kann man über konkrete Förderinstrumente nachdenken. Soweit scheint die Politik leider noch nicht zu sein – dies bedauere ich sehr.

Filmfest Hamburg feiert in diesem Jahr sein 30-jähriges Jubiläum. Sie verantworten als Festivalleiter das Hamburger Filmfestival seit über 20 Jahren. Wo sehen Sie die größten Zäsuren in seiner Entwicklung, die größten Erfolge, aber auch die größten Rückschläge?

AW: Der größte Erfolg ist der kontinuierliche Aufbau eines Stammpublikums. Da hatte mein Vorgänger schon gute Arbeit geleistet, und ich habe, was das anbelangt, ein sehr gesundes Festival übernommen. Der Publikumskern ist aber seitdem gut gewachsen, sie haben unsere Handschrift kennen und offensichtlich lieben gelernt. Ich bin so sehr stolz auf das Filmfest-Publikum! Bei wie vielen Festivals gewinnt eine politische Doku über Palästinensische Flüchtlinge in Damaskus den Publikumspreis?!?
Der größte Rückschlag (außer der Pandemie, klar!) war eigentlich ziemlich am Anfang meiner Zeit in Hamburg, als die damalige Kultursenatorin 2004 quasi über Nacht die Filmförderung um 50 Prozent kürzte. Die Branche, und auch wir, waren wie gelähmt. So was möchte ich nicht noch mal erleben!

Wenn Sie einen Wunsch für das Filmfest Hamburg zu diesem runden Geburtstag frei hätten, welcher wäre das?
AW: Das man endlich den Artikel „das“ vor Filmfest weglässt!
Spaß bei Seite: ich wünsche mir für die nächsten Jahre keine weiteren pandemische Begrenzungen. Und dass die Leute wieder Lust auf kollektive Kulturerlebnisse haben. Und dass vermehrt junges Publikum den Weg in die Arthousekinos finden – und somit auch zu den Festivals.

Macher:innen

(c) Filmfest Hamburg / Heike Blenk

Albert Wiederspiel

wurde 1960 in Warschau geboren. Als Folge von antisemitischen Ausschreitungen musste die Familie 1969 nach Dänemark auswandern. Wiederspiel wuchs in Kopenhagen auf und studierte Filmwissenschaft in Paris. Nach Stationen zunächst als Trainee bei 20th Century Fox International, später als PR- und Marketingleiter bei der 20th Century Fox Deutschland, als Marketingleiter und General Manager (Theatrical) bei PolyGram Entertainment sowie als General Manager (Theatrical) bei Universal Pictures Germany und Tobis StudioCanal ist er seit 2013 Leiter von Filmfest Hamburg. Albert ist Mitglied der Europäischen Filmakademie und Träger des Ordre des Arts et des Lettres (Ritter).

Kathrin Kohlstedde

– Auf der Suche nach den Antworten zu den großen Fragen unserer Zeit, studierte Kathrin Kohlstedde Philosophie und Politikwissenschaften an der Universität Eichstätt, wo ihre Begeisterung für das Kino geweckt wurde. Seit 1999 bringt sie ihre Liebe und Leidenschaft für Film, seine Inhalte und das Publikum als Programmleiterin zu Filmfest Hamburg. Kathrin ist Mitglied des Auswahlkomitees des Koproduktionsmarkts der Berlinale und der Europäischen Filmakademie.