Deutsches Kinder Medien Festival Goldener Spatz

Der Goldene Spatz wurde 1979 in Gera als ein Publikums und Arbeitsfestival gegründet, das sich alle zwei Jahre dem DEFA Kinderfilm sowie der DDR-Kinderfernsehproduktion widmete. Dem Kinderfilm wurde in der DDR von Anfang an eine große Bedeutung als Kunstform beigemessen, die einen wesentlichen Beitrag zur ästhetischen, kulturellen, moralischen, aber auch ideologischen Erziehung der jungen Generation leisten sollte. Wie alle Festivals in der DDR wurde auch der Goldene Spatz staatlich organisiert und finanziert. Bis 1989 galt der Goldene Spatz als das wichtigste Forum des Austauschs für die Film und Fernsehschaffenden in der DDR, erfreute sich aber gleichzeitig großer Beliebtheit unter Fachleuten im Ausland, speziell auch in der Bundesrepublik.

Mit dem Fall der Mauer 1989 standen viele DDR Festivals und so auch der Goldene Spatz vor dem Aus. Dass es letztendlich weitergeführt werden konnte, war zunächst der Stadt Gera und dann dem Engagement von Film und Fernsehschaffenden aus Ost und West zu verdanken. 1993 wurde die Stiftung Goldener Spatz gegründet und somit ein solides finanzielles Fundament für das Deutsche Kinder-Film&Fernseh-Festival geschaffen. Ein wichtiger Entwicklungsschritt war die inhaltliche Ausweitung des Wettbewerbs um Onlinemedien. 2003 hat das Festival seine Reichweite vergrößert und findet seitdem auch in Erfurt statt. Seit 2008 wird der Goldene Spatz — nun unter dem Namen Deutsches Kinder Medien Festival — jährlich veranstaltet. Damit will das Festival den aktuellen Entwicklungen in der deutschen Kindermedienlandschaft Rechnung tra gen. Mit seiner Fokussierung auf Kino, Fernsehen und digitale Medien für ein junges Publikum nimmt der Goldene Spatz unter den deutschen Kinderfilmfestivals wie dem Chemnitzer Festival Schlingel oder LUCAS in Frankfurt/Main sowie der Berlinale-Sektion Generation, die international ausgerichtet sind, eine einzigartige Position ein.

Der Goldene Spatz versteht sich somit als ein nationales Publikums- und Branchenfestival, das aber hinsichtlich des Fachaustauschs auch auf europäischer Ebene agiert. Die Kernzielgruppen sind einerseits Kinder und Jugendliche und andererseits Fachbesucher:innen aus der Film und Fernsehbranche, Medienpolitik wie Medienpädagogik. Wie in der Vergangenheit wird das Festival Goldener Spatz auch in der Zukunft mit den kulturellen und gesellschaftlichen Entwicklungen wachsen. Sicherlich werden die Bewertung von und der Umgang mit digitalen Medien an Bedeutung gewinnen. Eine wesentliche Aufgabe sieht der Goldene Spatz in der stärkeren Einbeziehung der jungen Zielgruppe. So sollen Kinder zukünftig mehr Möglichkeiten zur Partizipation am Festivalgeschehen erhalten.

(Nicola Jones, Barbara Felsmann)

Die kommende Ausgabe des Festivals findet
vom 4. bis zum 10. Juni 2023 statt.

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Exzerpt aus Buch / Leseprobe

Auszug aus dem Beitrag „Digitaler Wandel braucht nachhaltige Strukturen“ von Nicola Jones und Barbara Felsmann (Deutsches Kinder Medien Festival Goldener Spatz)

VI. Ein Blick in Zukunft

Wie in der Vergangenheit auch wird sich der Goldene Spatz kontinuierlich weiterentwickeln, agil sein und verschiedene Formen der digitalen und analogen Beteiligung anbieten. Als Festival für ein junges Publikum gilt es, heute wie zukünftig der großen Verantwortung nachzukommen, das Kino als Ort des besonderen kulturellen Erlebens erfahrbar zu machen, denn kulturelle Teilhabe ist ein Recht von Kindern und Jugendlichen. Dazu gehören das gemeinsame Sehen sowie die Einbindung des Publikums durch Austausch und Interaktion im Kino und online.

Trotz des Wandels beim Medienkonsum von Kindern und Jugendlichen wird ein Bedürfnis nach gemeinsamen Film- und Medienerlebnissen bleiben. Dennoch gilt es, die Lust auf und Freude an der Kulturpraxis Kino und bewusste Medienrezeption gerade heute auch weiter zu fördern. Dies gelingt insbesondere dann, wenn Festivals zusätzlich Formen der Partizipation anbieten. Dies war seit jeher ein zentrales Ziel des Goldenen Spatz und wird zukünftig neben den Film- und Medienpatenschafts -Projekten sowie der Mitwirkung der Kinder durch die Jurytätigkeiten noch mehr in den Fokus rücken.

Erstmalig wird in der Festivalausgabe 2022 im Rahmen des Wettbewerbs Digital die Umsetzung der Ausstellungswelt SpatzTopia gemeinsam mit Kindern in einem Co-Creation-Prozess bereichert. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen sind zu evaluieren, um gezielt weitere Beteiligungsprozesse der Kinder und Jugendlichen zu entwickeln. Damit ist der Goldenen Spatz längst aus seiner Funktion, allein die Rezeption der Festivalangebote zu ermöglichen, entwachsen und schlüpft nun in seine Rolle einer bedürfnisorientierten Beteiligung an der Programmgestaltung und der Entwicklung von medialen Projekten seitens der begeisterten Kinobesucher und mündigen Medienkonsumenten von morgen.

VII. Alles auf Anfang – zurück zu einem ausschließlichen Präsenzfestival?

Die Frage beantwortet sich von selbst. Trotz aller Schwierigkeiten bleibt der Blick nach vorn gerichtet. Nicht umsonst setzte die Bewältigung der Krise wichtige Energien, Kräfte und Ideen frei. Es lohnt sich, neue Wege zu beschreiten und nach vorne zu schauen. Dabei gilt es, die Gleichwertigkeit von analogen und digitalen Komponenten anzuerkennen und das jeweils Mögliche zu versuchen. Fehler zu machen, sollte dabei ausdrücklich erlaubt sein, denn die Lerneffekte sind enorm.

Macher:innen

(c) Lars Wiedemann

Nicola Jones

begann nach ihrem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft an der Universität Leipzig ihre berufliche Laufbahn als Consultant im Bereich Filmförderung bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers. 2004 wechselte sie als Förderreferentin zur Filmförderungsanstalt (FFA) und war ab 2006 als Referentin des FFA-Vorstandes auch verantwortlich für internationale Filmbeziehungen sowie für EU-filmpolitische Belange. Im Oktober 2016 übernahm sie die Leitung des Deutschen Kinder Medien Festivals Goldener Spatz und die Geschäftsführung der gleichnamigen Kindermedienstiftung. In dieser Funktion ist sie mit der Initiative KIDS Regio auch auf europäischer Ebene aktiv.

Barbara Felsmann

arbeitet zum einen als Autorin von dokumentarischer Literatur und Rundfunk Features, zum anderen als Journalistin für Rundfunk, Fachzeitschriften und Fachpublikationen, insbesondere zum Schwerpunkt Kinder und Jugendfilm. Das Festival Goldener Spatz begleitete sie 20 Jahre lang als Textautorin sowie Redakteurin bei seinen Festivalpublikationen und wirkte als Kuratorin der Retrospektiven mit.

5 Fragen

1. Gut 30 Monate nach dem ersten pandemiebedingten Lockdown, was waren die größten Bedrohungen, Leistungen, Gewinne, Überraschungen, die Sie mit Ihrem eigenen Festival erlebt haben?

Wir sind 2020 unvermittelt mit einer sehr neuen und ungewohnten Situation konfrontiert worden. Durch Improvisations- und Anpassungsfähigkeit ist es dennoch gelungen, die Festivals in zwei Pandemiejahren mit digitalen und analogen Komponenten durchzuführen. 2022 konnte das Festival erstmals wieder vollständig in physischer Form mit digitalen Ergänzungen durchgeführt werden. Die Begeisterung, mit der die junge Zielgruppe wieder ins Kino gekommen ist, macht Hoffnung für die Zukunft. Darin liegt eine große Chance, das Potential von Festivals zu nutzen, um Kinder und Erwachsene für das Kino zu begeistern.

 

2. Aktuell ist die Situation der Filmfestivals neben den (Post-)Pandemie-Folgen von weiteren kritischen Einflüssen geprägt. Welche Aspekte haben auf das Festival derzeit die größten Auswirkungen?

Fast alle Festivals haben derzeit mit den Auswirkungen der Inflation zu kämpfen, die insbesondere die Budgetplanung vor große Herausforderungen stellt. Teilweise kann nicht kalkuliert werden, da die Dienstleister keine verlässlichen Angebote abgeben, weil sie selbst nicht genau wissen, wie sich die Inflation im kommenden Jahr auswirken wird. Die Preise steigen, aber viele Förderer erhöhen die Fördermittel nicht analog. Förderprogramme wie beispielsweise das dive.in – Programm für digitale Interaktionen, von dem einige Festivals im Zuge der digitalen Ausrichtung profitiert haben, werden voraussichtlich nicht fortgeführt. Damit wird die Finanzierung zu einer enormen Herausforderung, die ggf. nur durch Sparmaßnahmen oder Erhöhung der Preise bewältigt werden kann.

 

3. Schon heute werden manche Lichtspielhäuser tageweise geschlossen. Fürchten Sie nach der pandemiebedingte Schließung der Kinos nun einen (erneuten) Verlust ihres/r Partnerkinos und was bedeutet dies für das Festival?

Am Standort Gera existiert seit 2020 kein Multiplexkino mehr und in der gegenwärtigen Situation ist eine Wiedereröffnung durch einen möglichen neuen Betreiber kaum realistisch. Das wirkt sich auf die zukünftige Festivalplanung insofern aus, dass das Festival inzwischen sehr eng mit dem vor Ort ansässigen Arthouse-Kino, das allerdings über eine viel geringere Platzkapazität verfügt, zusammenarbeitet und zusätzlich alternative Spielstätten für das Festival nutzt. Dort, wo die Festivalbeiträge nicht in einem Kino gezeigt werden, fehlt allerdings ein Stück weit die Kinoqualität bei der Projektion und im derzeitigen Festivalkino finden nicht annährend so viele Besucher*innen Platz wie vor der Corona-Zeit.
Wie immer aber gilt es, das Beste aus der Situation zu machen. Aus der Pandemie haben wir gelernt, dass z.B. Filmgespräche im kleineren Rahmen häufig intensiver und inhaltlich tiefer geführt werden können. Da wir am Standort Gera den Bereich Film- und Medienbildung fokussieren, passt das gut in das Festivalkonzept, das wir entsprechend inhaltlich ausbauen wollen. Sollte im Zuge der aktuellen Situation das Arthouse-Kino in Schwierigkeiten geraten, wäre es für das Festival fatal, denn einem Festival ohne Kino fehlt ein zentraler Ort der Begegnung, der Reflexion und des ideellen Austauschs.

 

4. Welche Form der Unterstützung wäre am hilfreichsten in der aktuellen Situation des Filmfestivals und von wem/welcher Einrichtung sollte diese Unterstützung ermöglicht werden?

Eine kontinuierliche, kriteriengeleitete Förderung auf Ebene des Bundes für die Filmfestivals in Deutschland wäre ein großer Fortschritt. Sollten im Zuge der anhaltenden Krise Förderprogramme für Kultureinrichtungen und Kinos aufgelegt werden, müssen die Festivals unbedingt ebenfalls mitbedacht werden.

 

5. Wo sehen Sie das Festival im Jahr 2025 und wie denken Sie, sieht dann die deutsche Filmfestivallandschaft aus?

Diese Frage lässt sich momentan sehr schwer beantworten. Aufgrund der anhaltenden Krisensituation, von der Festivals wie andere Kultureinrichtungen gleichermaßen betroffen sind, gilt derzeit die Parole: Durchhalten und weitermachen, die Zusammenarbeit und den Zusammenhalt in der Branche stärken und trotz akuter Probleme wichtige Themen wie Fachkräftemangel und Besucherschwund in den Kinos im Blick zu behalten. In Bezug auf die Zielgruppe beim Goldenen Spatz schaue ich vorsichtig optimistisch in die Zukunft. Im Bereich der Partizipation und Filmbildung liegt eine große Chance, das Festival weiterzuentwickeln und den Bereich der Kindermedien sowie das Kino zu stärken.