achtung berlin Filmfestival
Anfang der 2000er Jahre gab es in Berlin nur die Berlinale als wichtiges internationales Filmfestival. Daneben fanden in der Hauptstadt zumeist nur kleinere oder themen- bzw. formatspezifische Filmfestivals statt. Es fehlte ein Filmfestival für den neuen deutschen Film, das sich einerseits einer universellen Ausrichtung verschrieb — vom Kurzfilm bis zum Langfilm, vom Independentfilm, über das Debüt bis zur prestigeträchtigen Arthouse-Produktion — und andererseits die damals relevanten Entwicklungen in der Hauptstadtregion abbildete.
Bereits in den ersten Jahren war ein stetes Wachstum an Filmeinreichungen und Publikumsresonanz zu verzeichnen, zur dritten Festivalausgabe wurde der Umzug in ein größeres Kino notwendig und in den Folgejahren wurde der Kreis an Kinos sukzessive ausgebaut. Damit war achtung berlin nicht nur eins der ersten Filmfestivals in Deutschland, das sehr früh einen eigenen Wettbewerb für den mittellangen Film etablierte, sondern mehr und mehr seine Programmstruktur ausdifferenzierte und erweiterte. Heute ist das achtung berlin Filmfestival eine unverwechselbare Marke am Filmstandort Berlin-Brandenburg und ein fester Termin im Festivalkalender von gleichermaßen Professionals wie Filmbegeisterten. Darüber hinaus hat sich das Filmfestival zum Treffpunkt der hiesigen Filmszene entwickelt, zum Ort für Begegnungen und Austausch für die Filmhochschüler:innen und Talents wie auch für die junge, international ausgerichtete Filmbranche in Berlin und darüber hinaus. Das achtung berlin Filmfestival strebt danach, die Förderung des Filmnachwuchses und deren Vernetzung mit der Film- und Medienwirtschaft der Hauptstadtregion voranzutreiben und dabei auch neue Filmprojekte zu initiieren.
Das Wirkungsfeld ist regional sowie in Teilen national. Durch sein gemeinsam mit dem Goethe-Institut präsentiertes Berlinfilm-Programm im Ausland (u. a. Rio de Janeiro, Tel Aviv, Los Angeles) erlangt das achtung berlin Filmfestival auch international Aufmerksamkeit. Dies ist Ausgangspunkt der Idee, die Marke achtung berlin vermehrt auch international, beispielsweise angebunden an andere Filmfestivals, zu platzieren. Für die Zukunft hat sich achtung berlin vorgenommen, die Sichtbarkeit über Berlin hinaus zu steigern, das Filmfestival als wichtigen Branchentreff der nationalen Filmszene weiter zu etablieren, ein treibender Faktor in der Filmnachwuchsförderung mit eigener Stipendien-Vergabe zu werden und regelmäßige, weltweite Veranstaltungen und Screenings zur Berliner Filmkultur zu initiieren.
(Sebastian Brose)
Exzerpt aus Buch / Leseprobe
Auszug aus dem Gespräch „Wenn du zuhörst, lernst du etwas Neues, wenn du sprichst, wiederholst du nur, was du schon weißt.“ von Joachim Kurz mit Sebastian Brose (achtung berlin Filmfestival)
(Joachim Kurz) Denkt man an Berlin und Filmfestivals, kommt einem natürlich als allererstes die Berlinale in den Sinn. Wie lebt es sich als kleineres, feines Filmfestival im Schatten von solch einem Giganten?
(Sebastian Brose) Wir sind damals vor 18 Jahren nicht als Wettbewerber der Berlinale an den Start gegangen. Die Berlinale ist ein A-Festival und es war nicht unsere Idee, der Berlinale ernsthaft Konkurrenz zu machen. Vielmehr haben wir in der Zeit um 2003/2004 gemerkt, wie rasant sich Berlin als Filmstadt entwickelt. Die regionale Filmförderung wurde neu aufgestellt, es gab Titelstorys dazu in Berliner Stadtmagazinen, neue Produktionen haben sich gegründet. Insgesamt muss man sagen, dass sich zu dieser Zeit Berlin als Filmstadt neu erfunden hat. Nicht zuletzt durch die vielen Berlin-Filme aus jener Zeit, wie z.B. Lola Rennt oder Good Bye Lenin, die um die Jahrhundertwende herum entstanden. Aus diesem Grund war die Zeit reif für ein eigenes Filmfestival für und über Berlin.
(JK) Neben der Funktion eines Schaufensters für das Filmschaffen Berlins ging es bei der Gründung von achtung berlin auch darum, ein Netzwerk oder eine Plattform für die Filmschaffenden selbst zu schaffen?
(SB) Der Gründungsimpuls lag neben dem Hype rund um Berlin als wieder erwachte Filmmetropole insbesondere in der Tatsache, dass viele Filme, die nicht auf der Berlinale liefen, keinen wirklichen Ort hatten, um in Berlin gesehen zu werden. Dazu kam, dass die damalige Berlinale-Leitung den deutschen Film nicht unbedingt förderte. Auch kamen damals viele Arthouse- oder Debütfilme erst gar nicht oder nur sehr sporadisch in die Kinos. Wir wollten diese Lücke schließen und mit unserem Filmfestival die Möglichkeit schaffen, dass sich die heimische Filmszene treffen und ihre Filme präsentieren konnte. Und da seinerzeit die Filmbranche in Berlin immer aktiver und wichtiger wurde, lag es auf der Hand, dass wir Berlin-Brandenburg bei der Festivalidee direkt in den Fokus nahmen.
Macher:innen
(c) Mirko Gotschlich
Sebastian Brose,
Jahrgang 1971, studierte Germanistik, Kunst und Philosophie in Gießen und Bremen. Nach dem Studium arbeitete er als freier Kulturmanager und Projektleiter in den Bereichen Literatur, Film und Neue Medien. 2005 gründet er zusammen mit Hajo Schäfer das achtung berlin Filmfestival. Er ist Kurator für Spiel- und Dokumentarfilme mit Schwerpunkt Deutscher Film, konzipiert Filmprogramme für internationale Events, u.a. zusammen mit dem Goethe Institut. Er ist im Vorstand des Netzwerkes der Berliner Filmfestivals Festiwelt, arbeitet seit vielen Jahren als Festival Producer für das ZEBRA Poetry Film Festival und leitet seit 18 Jahren als Co-Direktor und künstlerischer Leiter das achtung berlin Filmfestival. Er lebt in Berlin.